ESMO 2023, Oktober, Madrid; News Basel: Rheinschwimmen und MELVEC-Studie; Skin Cancer Research Award 2023
Es freut uns sehr, im zweiten Newsletter dieses Jahres, kurz vor Jahresende, auch Beiträge Basel und St. Gallen einzubringen; herzlichen Dank an beide Team.
Neuigkeiten vom ESMO-Kongress, Oktober 2023
Interview mit Prof. Reinhard Dummer
Ihre Highlights am diesjährigen ESMO?
Im Bereich der Hauttumoren wurden wieder zahlreiche neue Ergebnisse vorgestellt. Die interessantesten waren meiner Meinung nach in den Bereichen adjuvante/neoadjuvante Therapie, systemische Behandlung des Aderhautmelanoms und Behandlung von Hirnmetastasen nach Versagen der herkömmlichen Therapien (Immuntherapie, zielgerichtete Therapien).
Im Bereich der adjuvanten Therapie wurden vertieft die Ergebnisse einer Phase II Studie vorgestellt. Im Rahmen dieser Phase II Studie wurde die Monotherapie mit Pembrolizumab einem Anti-PD-1-Antikörper, verglichen mit einer kombinierten Behandlung mit Pembrolizumab und einer individuell hergestellten Krebsimpfung. Für die Herstellung der Impfung wird Tumorgewebe verwendet. Das Tumorgewebe wird vollständig sequenziert und für den individuellen Patienten spezifische Veränderungen können somit identifiziert werden. Notwendig ist auch der HLA Typ des Patienten und ein Expressionsprofil des Tumorgewebes. Aus diesen Faktoren wird dann bioinformatisch errechnet, welche Neo-Epitope sich für eine Impfbehandlung eignen. Besonders wird darauf geachtet, welche Epitope an der Oberfläche von Tumorzellen im Kontext von HLA den T-Zellen präsentiert werden. Die genetische Information wird dann in NRA umgearbeitet und Analog der COVID Vakzine in Liposomen verpackt und individuell für den Patienten zur Verfügung gestellt. Dieser Prozess dauert etwa 6 – 9 Wochen. Daraus ergibt sich auch eine Verzögerung bei der Behandlung der Patienten im Rahmen dieser Studie. Alle Patienten beginnen zunächst mit der Immuntherapie mit Pembrolizumab. Die Patienten, die den Impfstoff erhalten sollen, werden dann nach 6 – 12 Wochen zusätzlich mit den individuell für sich hergestellten RNA Vakzine behandelt. Die Ergebnisse sind sehr interessant. Die zusätzliche Therapie mit der Vakzine führt zu einem deutlich verbesserten Rezidiv freien Intervall und auch zu einem verbesserten fernmetastasenfreien Intervall. Diese positive Signale werden nun in einer prospektiven randomisierten Phase III Studie untersucht.
Im Rahmen der neoadjuvanten Therapie mit Pembrolizumab, die im Frühjahr 2023 im New England Journal of Medicine publiziert wurde zeigte, dass der neoadjuvante Ansatz im Vergleich zum adjuvanten Ansatz das Ergebnis um ca. 30% verbessern kann, wurden jetzt neu die Ergebnisse der pathologischen Ergebnissen vorgestellt. Sie zeigten eine sehr hohe komplette Remissionsrate der Pathologie des Index Lymphknotens.
Beim Aderhautmelanom wurden erstmals Ergebnisse zu einer kombinierten zielgerichteten Behandlung vorgestellt. Dabei wird ein Inhibitor von PKC eingesetzt in Kombination mit einem Inhibitor von MET. Dieser Therapieansatz führte bei den meisten behandelten Patienten unabhängig von der Vorbehandlung mit Tebentafusp zu einem Rückgang der Tumormanifestationen. Für Aderhautmelanome gab es bis jetzt keine vergleichbaren Ergebnisse. Allerdings ist die Behandlung mit Nebenwirkungen verbunden. Dieses vielversprechende Signal wird ebenfalls nun in einer prospektiven randomisierten Studie mit der Immuntherapie verglichen. Wir freuen uns, diese Studie auch in der Schweiz durchführen zu können.
Daneben wurden zwei Studien zur Behandlung von fortgeschrittenen Melanom Patienten mit Hirnmetastasen untersucht. Eine Studie beschäftigt sich mit nodulären Manifestationen, die andere mit leptomeningealem Befall. In beiden Studien wurden ein weit fortgeschrittene vorbehandelte Behandlungskollektiv eingeschlossen. Die Ergebnisse zeigen bescheidene Fortschritte, die auf jeden Fall weiterentwickelt werden müssen.
Welche Resultate/Erkenntnisse haben Sie überrascht? Positiv oder negativ?
Sehr positiv überrascht war ich von den deutlichen Signalen bei der Kombination Pembrolizumab mit individuallisierten neoantigen Therapien (RNA Vakzine). Im Vergleich zu der Standarttherapie Pembrolizumab sind doch sehr eindrucksvoll. Insbesondere beeindruckt mich, dass der Nutzen von der Kombinationsbehandlung mit längerer Nachbeobachtungszeit insbesondere für das fernmetastasen freie Überleben zu nimmt.
Beeindruckend waren auch die Ergebnisse des PKC-Inhibitors Darovasertib in Kombination mit dem MET-Inhibitor Crizotinib. So deutliche Waterfallplots habe ich für die Behandlung des metastasierten Aderhautmelanoms noch nie gesehen.
Welche Erkenntnisse haben für Ihre tägliche Praxis eine grosse Bedeutung (Practice Changing)?
Als direkte Konsequenz der vorgestellten Daten, müssen wir am Unispital Zürich die regelmässige Messung von zirkulierender Tumor-DNA etablieren. Die höchste Priorität hat dabei der Einsatz dieser Methode bei Patienten mit metastasierendem Aderhautmelanom, die mit Tebentafusp behandelt werden.
Eine weitere Herausforderung in der täglichen Praxis ist die Einführung der neoadjuvanten Therapie. Hier brauchen wir standardisierte Abläufe für die Kostengutsprache bei den Krankenkassen. Es ist wichtig, dass bei der Operation das richtige Tumorgewebe entfernt wird. Ausserdem besteht grosser Handlungsbedarf bei der Ausbildung der Pathologen, die am Schluss das resezierte Tumorgewebe beurteilen müssen und histologische die Art der Remission bewerten müssen.
Welches sind Bereiche mit noch grösstem Forschungsbedarf?
Bereiche mit einem grossem Forschungsbedarf sind im adjuvanten Bereich Biomarker die, die Patienten mit geringem Risiko identifizieren können. Im Rahmen der adjuvanten Behandlung werden viele Patienten Medikamente mit möglichen Langzeitnebenwirkungen exponiert die diese Behandlung gar nicht brauchen. Hier wären Biomarker äusserst hilfreich.
Ein weiterer Forschungsbereich ist und bleibt das Aderhautmelanom. Wir sehen hier die ersten Fortschritte. Aber leider müssen wir festhalten, dass das Aderhautmelanom mit Fernmetastasen heute noch zu den nicht heilbaren Melanomerkrankungen zählt.
Ebenso ist der Forschungsbereich ist die Behandlung von Hirnmetastasen an der Grenze zur Palliativmedizin ein weiterer Punkt. Hier besteht grosser Forschungsbedarf. Massnahmen, die die Lebensqualität beeinträchtigen, wie zum Beispiel auch die Ganzhirnbestrahlung sollten wenn möglich unterbleiben. Neue Therapieansätze müssen zumindest den Verlauf verlangsamen , sollen aber auch die Symptomatik der Hirnmetastasen verbessern.
Gibt es Fortschritte bei der Identifizierung von Biomarkern, die in der Zukunft prognostisch und prädiktiv verwendet werden können?
Ja, es gibt inzwischen sehr wichtige Biomarker. Insbesondere zeigt sich bei der Behandlung des Aderhautmelanoms vor allem Medikament Tebentafusp, dass die gängigen bildgebenden Untersuchungen nicht in der Lage sind den Nutzen der Behandlung klar zu definieren. Im Gegensatz dazu ist die zirkulierende Tumor-DNA hier ein sehr gutes Korrelat für den Therapieerfolg. Aus meiner Sicht ist im Rahmen dieser Erkrankung die zirkulierende Tumor-DNA dringend einzusetzen.
Welche Rolle spielen Liquid Biospsies und ctDNA in ihrem Bereich?
Im Bereich des Melanoms wurden bei vielen Studien Biopsien und zirkulierende Tumor-DNA untersucht. Das Interesse ist riesig. Direkt relevant ist es beim Aderhautmelanom, siehe Punkt 5.
Interessante Ergebnisse ergeben sich auch für die adjuvante Behandlung und das Therapieansprechen. Hier muss die Forschungsaktivität intensiviert werden. Auch in der Schweiz haben wir glücklicherweise Biotechunternehmen wie Oncobit, die sich intensiv mit diesem Thema befassen.
Wie sehen Sie die Schweiz als Forschungsplatz am ESMO repräsentiert? (Bitte erwähnen sie hier auch Projekte die aus ihrer Umgebung präsentiert wurden)
Die Schweiz ist ein sehr gut ausgerüsteter Forschungsplatz mit extrem hoher Qualität und Kompetenz. Auf der anderen Seite ist die kleine Schweiz im Vergleich zu vielen grossen Nachbarn für viele forschende Pharmaunternehmen wenig interessant. Die Schweizer Gemeinschaft der Krebsforscher sollten sich hier organisieren und intensiv die momentan in der Schweiz laufenden klinischen Studien rekrutieren.
Nur so kann die klinische Forschung in der Schweiz erhalten, beziehungsweise ausgebaut werden.
Aktivitäten aus Basel
aus Basel: Prof. Dr. med. Dr. sc. nat. Alexander Navarini, Chefarzt Klinik für Dermatologie und Allergologie, Universitätsspital Basel
Geben Sie Hautkrebs keine Chance!
Auch dieses Jahr boten wir im Rahmen des Basler Rheinschwimmen am 15.08.2023 wieder kostenlose Untersuchungen von verdächtigen oder unklaren Muttermalen in Zusammenarbeit mit der Krebsliga beider Basel, der Schweizerischen Gesellschaft für Dermatologie und Venerologie (SGDV) und der Dermatologischen Gesellschaft Basel (DGB) an. Die Aktion stiess auf grosses Interesse: Wir konnten ca. 300 Teilnehmer untersuchen und Bewusstsein zum Thema Hautkrebsrisiko und den verantwortungsvollen Umgang mit der Sonne schaffen.
Bereits im letzten Newsletter berichteten wir über die MELVEC Studie, welche seit 2020 die Wirksamkeit von hochmodernen künstliche-Intelligenz-basierten Systemen bei der Früherkennung von Melanomen im Vergleich zu herkömmlichen klinischen Kontrollen durch einen Dermatologen untersucht.
Aus den Auswertungen der MELVEC Studie ging hervor, dass sich Patient:innen durch die Kombination von künstlicher mit menschlicher Intelligenz bei den Hautkrebsvorsorgeuntersuchungen sicherer fühlten als bei den „normalen“ Untersuchungen durch den Dermatologen (Gössinger et al., under review). Des Weiteren zeigte sich, dass vor allem unerfahrene Dermatologen von der Zuhilfenahme der künstlichen Intelligenz profitierten. Als Konsequenz wird nun die 3D-Ganzkörperfotografie mittels VECTRA® bei uns standardmässig bei allen Patient:innen während des Hautkrebsscreenings angewendet. Das Universitätsspital Basel ist weiterhin das das einzige Schweizer Krankenhaus, welches über dieses innovative 3D-Ganzkörperfotografiesystem verfügt.
Skin Cancer Research Award 2023
Preisverleihung während SGDV-Jahresversammlung am 7. September 2023, Lausanne
Der Skin Cancer Research Award 2023 / Verein für Hautkrebsforschung ging an Dr. Annalisa Santari, Dermatologische Klinik USZ (Prof. M. Levesque) für ihr Projekt «Targeting neurotrophic receptors: a new strategy for therapy resistant melanoms».
Wir gratulieren herzlich!
Beitrag an Kongress-Teilnahme
PD Dr. med. Joanna Mangana
PD Dr. J. Mangana wurde als invited Speaker am ESMO Kongress in Madrid 2023 eingeladen. An diesem relevanten Krebskongress hat sie zusammen mit Dr. O. Hamid die Session «What`s the future in melanoma therapy» geleitet und moderiert wo neue Therapieziele und neue vielsprechende Therapie- und Managementmöglichkeiten für die Behandlung von fortgeschrittenen Melanomen vorgestellt wurden
Personalia / Auszeichnungen
PD Dr. med. Joanna Mangana
Andrea Roggo (Forschungsgruppe Dr. Dr. Egle Ramelyte)
Erhalt eines National MD-PhD grant application. The committee decided to support our Pruritus project! Swiss Academy of Medical Sciences
Prof. Dr. Reinhard Dummer
Erhalt Auszeichnung Certificate «Highly Recited Researcher 2023 in the field of Clinical Medecine» von Web of Science researcher profiles/Clarivate
MySkin Check Mai/Juni 2023
Im Mai fand erneut die Aktion MySkin Check statt – mit Beteiligung verschiedener Mitglieder des VHKF.
Die Kampagne hat auch dieses Jahr wieder grosses Interesse gefunden und wird in den nächsten Jahren fortgesetzt werden.